In unserer Serie zur Liturgie des der Karwoche und der Änderungen, die im vergangenen Jahrhundert an ihr vorgenommen wurden, wenden wir uns nun dem Karfreitag zu. Hier finden wir – neben der Osternacht – nicht nur die ergreifendsten Riten, sondern auch die gravierendsten Veränderungen derselben. Wir knüpfen dabei an die Vorstellung des Gründonnerstags an, ohne den die Zeremonien an Karfreitag nicht möglich und auch nicht erlaubt sind. Die Tenebræ, von denen wir am Gründonnerstag handelten, erwähnen wir hier nicht mehr eigens.
Karfreitag bis 1955
Beginnen wir erneut mit dem Namen: Karfreitag heißt seit ältester Zeit Feria VI in Parasceve – ein griechischer Begriff, der an den Rüsttag im Judentum erinnert. Er taucht auch in der Passion auf (Mt 27, 62; Mk 15, 42; Lk 23, 54; Joh 19, 31). Die Liturgie selbst wird auch Missa præsanctificatorum – Messe der vorgeheiligten [Gaben] genannt. Sie trägt diesen Namen, weil es sich nicht um eine Hl. Messe als solche handelt, da es an Karfreitag keine Wandlung gibt. Stattdessen wird die an Gründonnerstag konsekrierte zweite Priesterhostie verwendet. Die äußere Form der Liturgie folgt hingegen dem Ritus der Messe, was bei der Betrachtung der Änderungen von erheblicher Wichtigkeit ist. Dies verdeutlicht den wesensmäßigen Zusammenhang des Kreuzesopfers an Karfreitag und seiner Fortsetzung und Erneuerung in der Hl. Messe.
Die Messe ist – wie an tagen mit Bußcharakter und in der Karwoche üblich – liturgisch zwischen Non und Vesper angesiedelt. So heißt es in der Rubrik gleich zu Beginn: In Choro, dicta Nona, Sacerdos et Ministri… und ganz am Ende: … et dicuntur Vesperæ sine cantu, et denudatur Altare. Gleichwohl wurde diese Liturgie bereits im 7. Jahrhundert bereits am Vormittag gehalten, wie der Ordo Romanus Primus zeigt. Der Priester trägt durchgängig eine schwarze Kasel, die Leviten schwarze gefaltete Kaseln (das einzige mal im Jahr). Weiterhin tragen alle drei Manipel.
Die Katechumenenmesse
Die Messe (wir nennen sie hier aufgrund der obigen Begriffsklärung so) beginnt in völliger Stille. Auf dem Altar stehen sechs hohe Leuchter mit ungebleichten (d.h. orangenen) Kerzen und das violett verhüllte Kruzifix. Die Mensa (d.h. die Altarplatte) ist unbedeckt, da sie am Gründonnerstag entblößt wurde. Dies geht nach Msgr. Gromier auf die frühchristliche und heute bis auf an Karfreitag nicht mehr erlaubte Praxis zurück, die Altartücher erst zur Messe aufzulegen. Damit haben wir es hier also wieder mit dem Triduum als Schatzkammer ältester christlicher Liturgie zu tun.
Einzug und Lesungen
Der Altardienst zieht in Stille ohne Kerzen oder Weihrauch ein. Während sich Priester und Leviten auf den Stufen des Altares niederwerfen, breiten zwei Akolythen auf der Mensa ein einziges Altartuch aus. Auch bei der prostratio handelt es sich um ein Überbleibsel aus ältester Zeit, bevor es ein fixes Stufengebet gab. Zelebrierte der Papst in einer der römischen Kirchen die Messe, warf er sich zu Beginn zum Gebet (und unter Gesang der Schola) vor dem Altar nieder. Über die Jahrhunderte hat sich dies zu einem fest geordneten Stufengebet entwickelt.
Nach der prostratio steigen die Leviten zum Altar empor, den der Priester küsst, und gehen auf die Epistelseite. Ein Lektor singt die erste Lesung (Hos 6, 1-6) Haec dicit Dominus, die der Priester am Messbuch auf der Epistelseite mit leiser Stimme mitliest. Es folgt der Tractus aus Hab 3, 2-3, worauf der Priester Oremus singt. Der Diakon singt Flectamus genua, alle beugen für einen Moment die Knie, bis der Subdiakon Levate singt. Es folgt die Oration Deus, a quo et Judas reatus sui pœnam, die der Prieter wie üblich mit ausgebreiteten Händern betet. Diese Oration ist dieselbe wie an Gründonnerstag und spricht von Judas und dem gerechten Schächer. Erneut haben wir eine Verbindung mit dem letzten Abendmahl und der Gründonnerstagsmesse. Nun singt der Subdiakon recto tono (auf einem einzigen Ton) die Epistel aus Ex 12, 1-11, jedoch ohne Titel. Auf diese folgt ein weiterer Tractus aus Ps 139, 2-10 und 14.
Passion und Evangelium
Wie an den anderen Kartagen wird nun die Passion gesungen. Sie beginnt direkt mit dem Titel Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Joannem (Joh 18, 1-40; 19, 1-42). Wie an den vorangegangenen Tagen auch werden die letzten Verse von der Grablegung Jesu (Joh 19, 38-42) als Evangelium gesungen – jedoch ohne Dominus vobiscum und Titel. Deshalb betet der Diakon erst hiervor Munda cor meum, es gibt aber keinen Segen, Kerzen oder Weihrauch, ebensowenig küsst der Zelebrant am Ende das Buch und wird auch nicht inzensiert. Der Diakon legt für das Evangelium seine gefaltete Kasel ab und nimmt stattdessen die sog. stola latior, ein breites Stück Stoff, das ähnlich der Diakonenstola getragen wird. Auf ihre Geschichte können wir hier aus Platzgründen nicht eingehen, doch gehört auch sie zu den ältesten Gewändern der römischen Liturgie. Nach dem Evangelium folgen die Großen Fürbitten.
Große Fürbitten
Der Priester steht mit den Leviten auf der Epistelseite am Messbuch und betet dort die sog. Großen Fürbitten. Jede Oration hat eine Einleitung, auf die wie zu Beginn das Flectamus genua und Levate folgt. Die einzige Ausnahme bildet die Fürbitte Pro Judæis (für die Juden), zu der keine Kniebeuge gemacht wird, denn mit diesem Zeichen wurde einst der leidende Herr von ihnen verhöhnt (vgl. Mk 15,19). Zum Ende der Fürbitten hin rollen zwei Akolythen einen langen violetten Teppich von den Altarstufen herab. Darauf legen sie ein violettes Kissen aus Seide und die Königswürde des Gekreuzigten versinnbildlicht. Dieses wird mit einem großen weißen, ebenfalls seidenen, Velum bedeckt. Es symbolisiert das Grabtuch Christi.
Kreuzverehrung
Auf die großen Fürbitten folgt die Kreuzverehrung. Priester und Leviten gehen an ihre Sedilien und legen dort ihre (gefalteten) Kaseln ab, der Diakon bleibt jedoch weiter mit der stola latior bekleidet. Der Diakon steigt zum Altar empor und nimmt das verhüllte Kreuz, das dort bisher thronte, herunter und übergibt es dem Priester. Es folgt das bekannte Ecce lignum crucis, bei dem das Kreuz schrittweise enthüllt wird. Zuerst der Titulus, dann der rechte Arm, schließlich das gesamte Kruzifix. Dabei bewegen sich Priester und Leviten schrittweise von der Epistelseite zur Mitte des Altares. Auf das intonierte Ecce lignum antworten die Leviten In quo salus mundi pependit, und schließlich die Schola Venite adoremus, zu dem alle niederknien.
Nach dem dritten Niederknien steigt der Priester mit dem Kreuz vom Altar herab und legt es auf das dort bereitete und verhüllte Kissen. Er geht mit den Leviten zur Sedilie und alle ziehen ihre Schuhe aus, sie legen auch die Manipel ab. Der Priester begibt sich in Begleitung des Zeremoniars zum Eingang des Presbyteriums und kniet nieder. Er steht auf, geht einige Schritte näher an das Kreuz heran und kniet erneut nieder. Dies tut er ein drittes Mal, unmittelbar vor dem Kreuz. Dort angekommen, küsst er die Füße des auf den Altarstufen liegenden Heilandes. Währenddessen singt die Schola die Improperia, auf Latein und Griechisch. Der Ritus der Kreuzverehrung geht auf das alte päpstliche Hofzeremoniell zurück, bei dem man vor dem Papst drei Kniebeugen machte ehe man seinen Fuß küsste. Hierüber gelangte es in die Liturgie.
Nachdem alle im Altarraum in gleicher Weise das Kreuz verehrt haben, wird es samt Kissen außerhalb des Presbyteriums zum Volk ins Schiff gebracht. Dieses verehrt es ebenfalls, indem man sich auf Knien zum liegenden Kreuz hinunterbeugt und die Füße küsst. An den Sedilien ziehen Priester und Leviten wieder ihre Schuhe und Paramente an, sie sitzen und rezitieren die Improperia. Danach werden die Altarkerzen entzündet.
Wie im Levitenamt bringt der Diakon nun die Burse mit dem Corporale zum Altar und entfaltet es. Nachdem die Gläubigen die Kreuzverehrung beendet haben, bringen zwei Akolythen das Kreuz zurück zum Presbyterium, wo es der Diakon empfängt und wieder auf dem Altar aufrichtet. Wenn das Kreuz vor ihnen vorbeizieht, machen alle erneut eine Kniebeuge.
Die Missa præsanctificatorum
Prozession zum Repositionsaltar
Nun formiert sich eine Prozession um zum Repositionsaltar zu ziehen und dort das Allerheiligste Sakrament abzuholen. Der Subdiakon nimmt das Vortragekreuz zwischen den Akolythen mit ihren Kerzen, darauf folgt der Klerus, am Ende Priester, Diakon und Zeremoniar. Am Sakramentsaltar angekommen, werden Fackeln entzündet, alle knien nieder und beten eine Weile während der Diakon die „Urne“, in welcher der Leib des Herrn im verhüllten Kelch ruht, öffnet.
Nach der Inzens des Allerheiligsten erhält der Priester den Kelch und verhüllt ihn sofort mit dem Schultervelum. Die Prozession zieht, wie bei der Reposition an Gründonnerstag, mit gewaltigem Pomp unter einem Baldachin, mit Fackeln und zwei Rauchfässern zum Gesang des Passionshymnus Vexilla Regis prodeunt zum Hochaltar. Die zwei Thuriferare gehen unmittelbar vor dem Baldachin und wechseln sich auf dem Weg mit der Inzens des Allerheiligsten ab.
Am Hochaltar angekommen, nimmt der Diakon den Kelch, stellt ihn auf das Corporale auf dem Altar und bindet das Seidenband, welches das Velum am Kelch hält, los. Das Velum bereitet er, ohne es abzunehmen, wie zur Messe. Die Fackelträger (Ceroferare) bilden vor dem Atlar zwei Reihen nebeneinander. Anschließend wird das Allerheiligste erneut inzensiert und es beginnt der Ritus der sog. „Vorgeheiligten Gaben“. Der Begriff ist auch in den östlichen Riten bekannt und verbindet den römischen Ritus und sie somit miteinander.
Ritus præsanctificatorum und Kommunion
Priester und Leviten steigen zum Altar empor. Der Diakon deckt den Kelch ab und hält die leere Patene, auf die der Priester vorsichtig die Hostie aus dem Kelch gleiten lässt. Dann nimmt der Priester die Patene und legt die Hostie vorsichtig auf das Corporale. Wie bei der Messe gibt der Diakon nun etwas Wein, der Subdiakon einen Tropfen Wasser in den Kelch, der sodann auf das Corporale gestellt wird. Die Offertoriumsgebete und -gesten entfallen jedoch. Nun kommt der Thuriferar zum Priester, der ohne Segen (denn das Allerheiligste ist unmittelbar gegenwärtig) Weihrauch auflegt. Es folgt die Inzens von Hostie, Kelch und Altar wie üblich, jedoch ohne Inzens des Zelebranten oder irgendeiner anderen Person. Dabei betet er die üblichen Gebete Incensum istud, Dirigatur und Accendat in nobis.
Auf der Epistelseite wäscht er seine Hände, jedoch ohne etwas zu sagen, und kehrt in die Mitte zurück. Dort betet er In spiritu humilitatis wie in jeder Messe, macht danach einen Schritt auf die Evangelienseite und spricht etwas zum Volk gedreht Orate fratres, dreht sich dann aber direkt auf demselben Wege zurück. Dies geschieht, damit er dem Allerheiligsten nicht den Rücken zukehrt. Hierauf folgt sofort das Pater noster, welches er – und er allein wie gewöhnlich – im Ferialton singt. Secreta, Präfation, Sanctus und Canon entfallen demnach. Es folgt wie üblich das Libera nos, heute aber mit lauter Stimme gesungen und ohne begleitende Riten.
Nun erhebt der Zelebrant die Hostie nur mit der rechten Hand so hoch, dass das Volk sie sehen kann, während Diakon und Subdiakon nebenan kniend die Kasel anheben. Das Klappern der hölzernen crepitacula begleitet diese Elevation. Anschließend bricht der Priester die Hostie in drei Teile wie üblich, gibt das kleinste ohne Worte in den Kelch und betet hernach das Perceptio Corporis tui. Die Kommunion erfolgt wie im üblichen Messritus, mit Domine non sum dignus, jedoch ohne die Gebete zur Kelchkommunion. Darauf trinkt er den Kelch aus, lässt dabei aber die üblichen Zeremonien weg. Niemand anders kommuniziert. Er purifiziert den Kelch und seine Finger wie in der Messe.
Ende der Liturgie
Der Subdiakon waltet seines üblichen Amtes und stellt den Kelch wieder zusammen, während der Diakon die stola latior ablegt und sich mit der gefalteten Kasel bekleidet. Hier endet die Messe, abrupt und in absoluter Stille wie es dieser dunkle und tieftraurige Tag gebietet. Nach dem Auszug wird das Altartuch wieder entfernt, Leuchter und Kreuz bleiben auf dem Altars stehen. Der Repositionsaltar wird abgebaut. Wir bleiben mit einem tiefen Eindruck der Verlassenheit zurück, einzig das Kreuz vor Augen.
Karfreitag nach 1955
Bereits der Name des Tages ist völlig anders als er bis jetzt lautete: Feria sexta in Passione et Morte Domini – „Freitag von der Passion und dem Tode des Herrn“. Die Liturgie selbst wird nun mit einem befremdlichen, gar klinischen Titel versehen: Solemnis Actio Liturgica postmeridiana in Passione et Morte Domini — „Feierliche liturgische Handlung von der Passion und dem Leiden des Herrn am Nachmittag“.
Allgemeines
Der Altar ist vollständig entblößt. Nicht einmal Leuchter und auch kein Kreuz stehen auf ihm. Dies hat zur Folge, dass die weiterhin vorgesehenen Verneigungen zu Oremus und dem Namen Jesu kein Ziel mehr haben, denn das Kreuz, an das sie gerichtet sind, fehlt plötzlich – es steht in der Sakristei – obwohl am Vorabend noch zur Komplet davon ausgegangen wird, dass es samt Leuchtern auf dem Altar steht, wie die Rubriken erkennen lassen.
Zu Beginn tragen Priester, Diakon und Subdiakon Amikt, Albe und Zingulum. Priester und Diakon tragen jeweils schwarze Stola. Manipel oder (gefaltete) Kaseln trägt niemand, auch keine Dalmatik oder Tunicella. Im Verlauf der Zeremonie werden die Minitri (Priester, Diakon und Subdiakon) mehrfach ihre Gewänder – auch Farben – wechseln.
Erster Teil
Einzug und Lesungen
Der Einzug erfolgt ähnlich wie zuvor, doch wird kein Altartuch ausgebreitet. Ministri und Ministranten verehren den Altar mit Verneigungen, obwohl kein Kreuz auf ihm steht – eine bis dahin undenkbare Sache, denn es ist das Kreuz, dem die Verehrung gilt. Dies führt auch Msgr. Gromier in einem Vortrag über die neue Karwoche unter Berufung auf das Pontificale Romanum aus. Nach der Verneigung legen sich die Ministri wie zuvor auf den Boden, die Ministranten knien.
Eine Weile später richten sich alle auf, bleiben aber bis auf den Priester knien, der aufsteht (d.h. Diakon und Subdiakon knien ebenfalls) und ein neu eingefügtes Gebet Deus, qui peccati veteris mit gefalteten Händen unten vor dem Altar spricht. Es beginnt direkt, ohne irgendeine Einleitung (Dominus vobiscum und/oder Oremus) endet mit der kurzen Formel Per Christum Dominum nostrum, statt der in der Messe gebräuchlichen längeren.
Danach gehen die Ministri und Ministranten direkt an ihre Sitzplätze und es folgt die erste Lesung (selbe Perikope), die der Priester aber nicht mitliest, und welche nun von einem (geweihten) Lektor vorgetragen wird. Nach dem Tractus folgt die Oration Deus, a quo et Judas wie oben, jedoch an der Sedilie – nicht am Altar – und mit gefalteten Händen. Der Diakon singt nun sowohl Flectamus genua als auch Levate (letzeres sonst Subdiakon). Der Subdiakon singt die zweite Lesung, auf die der zweite Tractus und die Passion wie zuvor folgen.
Passion
Wurde die Passion zuvor direkt (ohne Gebet – dieses folgte erst vor dem letzten Teil als Evangelium) begonnen, erhalten die drei Diakone nun an der Sedilie vom Priester (ohne Munda cor) den Segen in verkürzter Form. Die letzten Worte des Dominus sit in cordibus… werden gestrichen, da sie das Evangelium erwähnen, das aber – wie wir gleich sehen werden – ebenfalls gestrichen wurde. Sie gehen auf die Evangelienseite und singen oder lesen (!) die Passion dort. Es ist nun ermöglicht worden, dass in einer levitierten Liturgie ein Text in freier Entscheidung gesungen oder gelesen werden kann. Für die Passion war das Lesen zurvor nur dort erlaubt worden, wo gar kein Diakon zur Verfügung stand – Laien durften, wie auch in der 1955er „Reform“, die Passion niemals singen.
Ein eigenes Evangelium gibt es nicht mehr. Die letzten Verse der Passion, die zuvor vom Diakon der Messe eigens und mit Zeremoniell wie im Requiem wurden, werden nun vom Erzähler (Chronista) direkt durchgesungen.
Zweiter Teil: Fürbitten
Nach der Passion müssen sich die Ministri umziehen: Der Priester legt ein schwarzes Pluviale, die Leviten schwarze Dalmatik und Tunicella an. Diese beiden Gewänder haben ausschließlich freudigen Charakter, aber keinen der Buße und des Fastens wie bis dato die gefalteten Kaseln. Während sie sich umziehen, breiten die Akolythen ein Altartuch aus und stellen das Messbuch genau in die Mitte des Altares – dort steht es sonst niemals. Die Ministri steigen (im Ritus ist keine Reverenz vorgesehen) direkt zur Mitte des Altares empor, der Priester küsst ihn und es beginnen die großen Fürbitten.
Die Fürbitten lauten für etwa vier Jahre nach 1955 identisch. 1959 schreibt Papst Johannes XXIII. jedoch vor, dass bei der Fürbitte für die Juden das Wort perfidis zu streichen sei, da es dagegen aufgrund von Missverständnissen heftige Proteste gegeben hatte. So meinten jene Protestierenden, es bedeute „verräterisch, perfide, niederträchtig“. Tatsächlich bedeutet es aber nichts Anderes als „treulos“ und ist keineswegs antisemitisch wie behauptet. In der „Reform“ von 1955 war nun auch zu dieser Fürbitte vorher zu knien (Flectamus genua).
Die übrigen Fürbitten blieben im Text unverändert, doch man fügte Überschriften für die einzelnen Teile ein. Die Fürbitte Pro hæreticis et schismaticis hieß nun Pro unitate Ecclesiæ, obwohl sie im Wortlaut derselbe blieb. Dieser Titel ist theologisch höchst problematisch, da er suggeriert, dass die Kirche nicht „eins“ sei – dies widerspricht jedoch der immerwährenden Lehre der Kirche und nicht zuletzt dem Credo.
Dritter Teil: Kreuzverehrung
Die Ministri entledigen sich des Rauchmantels und ihrer Dalmatiken an den Sedilien. Der Diakon geht mit vier Akolythen in die Sakristei um das Kreuz zu holen – bisher war die Sakristei kein genuin liturgischer Ort. Er kommt zwischen zwei Akolythen mit Kerzen zurück ins Presbyterium und wird dort vom Priester und Subdiakon in Empfang genommen.
Der Ritus um das Ecce lignum Crucis bleibt unverändert, mit der Ausnahme, dass zusätzlich zum Diakon und Subdiakon nun auch zwei Akolythen mit Kerzen beim Kreuz stehen sollen. Sobald das dritte Ecce lignum verklungen ist, übergibt der Priester das Kreuz zwei Akolythen, die es auf der obersten Altarstufe aufrecht stehend festhalten. Msgr. Gromier hält hier zutreffend fest:
„Das Kreuz, das vom Diakon herbeigeholt und dann vom Zelebranten enthüllt wird, bleibt nun zwei Akolythen anheimgegeben, die diese Rolle gar nicht haben sollten, schon gar nicht am Altar – wo nicht ihr Platz ist.“
Msgr. Léon Gromier (1879-1965), Mitglied der Päpstlichen Akademie für Liturgie: Vortrag in Paris, Juli 1960. Übersetzung eigene.
Zwei weitere Akolythen knien mit Kerzen auf der obersten Altarstufe. Die Prozession zur Kreuzverehrung erfolgt fast gleich wie zuvor, es werden jedoch nur noch einfache Kniebeugen gemacht. Das violette Seidenkissen samt Velum und der Teppich werden nicht mehr verwendet. Das Kreuz steht und liegt nicht.
Es werden wir zuvor die Improperia gesungen, die Ministri sollen sie aber nur „hören“ – d.h. nicht mitlesen. Am Ende der Kreuzverehrung der Gläubigen, die auf die hier genannte Weise stattfindet, stellt ein Akolyth – nicht der Diakon – das Kreuz auf den Altar, die anderen zwei stellen ihre Kerzen auch dazu.
Vierter Teil: Kommunionfeier
Die Ministri ziehen sich erneut um: Der Zelebrant zieht violette Kasel (ohne Manipel), die Leviten violette Dalmatiken (ohne Manipel) an. Der Altar wird für die Kommunion bereitet. Zelebrant, Subdiakon und Klerus warten im Altarraum, allein der Diakon und die Akolythen gehen zum Repositionsaltar – nicht mehr der gesamte Altardienst und anwesende Klerus. Während dieser gesamten Zeit wird nichts gesungen. Es gibt keinen Weihrauch. Auf dem Rückweg zum Hochaltar werden drei neue Antiphonen gesungen, das eindrucksvolle Vexilla Regis gibt es nicht mehr. Die Akolythen nehmen erst auf dem Rückweg zwei Kerzen.
Das Allerheiligste befindet sich (wie an Gründonnerstag beschrieben) nicht mehr in Form einer einzigen großen Priesterhostie in einem Kelch, sondern es handelt sich um ein Ziborium voller kleiner Hostien, da nun nicht mehr allein der Priester kommuniziert. Am Hochaltar angekommen, stellt der Diakon das Allerheiligste auf das Corporale und geht anschließend auf die Epistelseite. Die Akolythen stellen zwei weitere Leuchter auf den Altar, sodass nun vier Akolythenleuchter dort stehen – statt der üblichen sechs Altarleuchter.
Sämtliche Gesten, Gebete und Riten, die an die Messe erinnern, sind abgeschafft. Das Allerheiligste wird nicht inzensiert. Es geht direkt mit dem Pater noster los, das zum ersten mal von allen, vollständig und laut gebetet werden soll. Daraus resultiert auch, dass das Pater noster in einer levitierten Liturgie nicht mehr gesungen werden darf. So heißt es in der Rubrik:
… celebrans clara voce recitat, non cantat, præfationem orationis dominicæ… totum vero Pater noster, omnes praesentes, clerici et fideles, una cum celebrante, solemniter, graviter et distincte recitant, lingua latina…
Rubrik zum Pater noster (MR 1962, 180)
Diese Rubrik böte noch viel Stoff für Ausführungen, dies soll hier jedoch unterbleiben. Der Priester wird weiterhin angehalten, es mit gefalteten Händen zu beten – im Gegensatz zur Messe. Das Gebet Libera nos wird nicht mehr gesungen, sondern gesprochen. Die Elevation der Hostie mit der rechten Hand findet nicht mehr statt. Nach der Priesterkommunion kommunizieren auch alle anderen, die dies wünschen, nachdem der Diakon das eingefügte Kommunion-Confiteor, welches andernorts zugleich abgeschafft wurde, singt. Nachdem die Kommunion vollzogen ist, abluiert der Priester die Finger nur im kleinen Ablutionsgefäß und reponiert das Ziborium im Tabernakel des Hochaltars.
Die Liturgie endet mit drei Orationen, die der Priester wiederum mit gefalteten Händen in der Mitte des Altares mit dem Messbuch direkt vor dem gefüllten Tabernakel beten soll. Ihnen geht kein Dominus vobiscum voraus und sie enden mit der kurzen Schlussformel. Alle ziehen in Stille aus. Die Rubrik sagt, dass das Allerheiligste, forma simplici, also „in einfacher Form“ nach der Liturgie zurück in seinen Repositionsaltar gebracht zu werden habe.
Abschließende Bemerkungen
Die „Reform“ von 1955 entband jeden Kleriker, der an der „feierlichen nachmittäglichen liturgischen Handlung“, wie sie heißt, teilnahm, von der Pflicht zum Beten der Vesper. Deshalb heißt es im Missale am Ende der Liturgie, dicitur Completorium. Dieser Punkt wird von Msgr. Gromier aufs Schärfste kritisiert, wenn er es als „unvorstellbar“ und „die Höhe der Willkür“ bezeichnet.
Mit dem Missale Pauls VI. wurde die Karfreitagsliturgie erneut verändert. Ihre Farbe ist nun durchgängig rot und das Wechseln der Paramente wurde wieder abgeschafft: Er trägt nur die Kasel. Weitere Veränderungen wollen wir hier nicht weiter nennen, derer es aber doch einige gibt.
Dieser Artikel basiert auf dem außerordentlichen Werk von Gregory DiPippo, das auf New Liturgical Movement veröffentlicht wurde und hier mit seinem ausdrücklichen Einverständnis ins Deutsche übertragen und ergänzt wurde.